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Elysium Roman 3 – Kapitel 2: Der Besuch


Isabella Stone lächelte schmal und nickte ihm zu, als er das stattliche Vorzimmer des Chefbüros des in klassizistischen Stil gehaltenen Rathauses betrat. Die elegante Dame mit der akkuraten Hochsteckfrisur und der auffälligen Brille mit den neongelben Rändern sah ihn aus müden Augen an. Sie wirkte wie immer völlig erschöpft wenn er sie antraf, und das schon jetzt am frühen Vormittag. Will Morgan, der Hauptleiter der Mordkommission Elysiums erwiderte ihren stillen Gruß und räusperte sich. Er kannte Isabella nun schon ein paar Jahre und wusste um die Schwierigkeit, die ihre Stellung als Sekretärin des Bürgermeisters mit sich brachte. Fabio Stanford war gelinde gesagt kein einfacher Charakter, etwas exzentrisch zuweilen, wenn man es freundlich ausdrücken wollte. Das bekam er in seiner Position ebenfalls oft genug zu spüren.
„Darf es vielleicht vorher ein Kaffee sein, Herr Morgan? Sie haben noch zehn Minuten, ein bisschen zu pünktlich, wie immer.“ Dann lächelte sie wieder und ordnete ein paar Papiere, die sie vor sich auf dem Schreibtisch liegen hatte.
„Nein, danke. Ich möchte Ihnen keine Umstände machen“, erwiderte er ruhig. Natürlich war er immer ein wenig zu früh, wenn er Termine beim Bürgermeister wahrnehmen musste. Es war schließlich die einzige Möglichkeit, mit Isabella ein paar Minuten zu plaudern. Sie gefiel ihm sehr gut, aber er hatte all die Jahre ihr gegenüber nichts in dieser Richtung angedeutet. Sie waren sozusagen beide komplett mit ihren Berufen verheiratet und hatten für ihre Karrieren viele Opfer bringen müssen. Will begann einen kleinen Smalltalk mit Isabella, der jedoch schon nach wenigen Minuten von einem lauten Stöhnen aus dem Raum des Bürgermeisters unterbrochen wurde.
„Aah! Oh Gott ja! Ja! Das fühlt sich gut an! Komm’ schon, nochmal! Einmal noch! Schneller!“, drang da die mit Ekstase angereicherte Stimme Stanfords durch die geschlossene, mit kunstvollen Schnitzereien verzierte Türe seines Büros. Isabella seufzte und der ihm bekannte Ausdruck, der eine Mischung aus latenter Verzweiflung und dem Hinterfragen eigener Lebensentscheidungen darstellte, machte sich wieder auf ihrem Gesicht breit. Will sah auf seine Armbanduhr: es war Zeit, der Termin war da. Fragend sah er zur Sekretärin die einfach abwinkte, während das gedämpfte, rhythmische Stöhnen weiter an ihre Ohren drang.
„Gehen Sie ruhig rein, das ist schon in Ordnung“, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme. Er rieb sich kurz die Hände, rückte seine Krawatte zurecht und nickte. Dann öffnete er mit einem Ruck die Türe und betrat das Büro des Bürgermeisters.
„Oh verdammt ich platze gleich, oh yeah und nochmal hoch und runter mit dem langen, harten Ding!“, stöhnte Stanford guttural. Rechts von seinem ausladend großen Schreibtisch und dem Bücherregal waren drei Spiegel aufgebaut, die den Eindruck machten, als hätte man sie aus Umkleidekabinen hierher versetzt. Er selbst stand mit nacktem Oberkörper davor und wuchtete wieder und wieder eine Langhantel mit zweimal zehn Kilo Gewichten nach oben. Die Muskeln seiner perfekten Arme waren beeindruckend aufgepumpt, Adern traten prall hervor. Im Grunde sah er so aus, als würde er gleich an ein Drehset für einen dieser unzähligen Fantasy-Barbaren-Filme gehen, die zur Zeit so groß in Mode waren. Sein langes, wallend blondes Haar wirbelte um seinen vorzüglich durchtrainierten Oberkörper. Ein Mann, so schön wie das Abbild eines antiken Gottes, der das Bürgermeisteramt nur als Nebenbeschäftigung ausführte. Durchbrochen wurde das Bild jedoch von engen blauen Jeans, die an den Knien stylische Risse hatten. Wahrscheinlich kosteten sie 300 Dollar. Er drehte sich zu Will um, setzte die Hantel auf dem Boden ab und strahlte ihn mit einem blendenden Lächeln an. Der Chef der Mordkommission hielt die Gerüchte, dass Fabio seine ständige Wiederwahl vor allem den weiblichen Wählern der Stadt verdankte, keineswegs für übertrieben. Neben ihm fühlte man sich als Durchschnittsmann bestenfalls wie die Discountversion eines zurückgebliebenen Primaten.
„Will, schön das Sie da sind!“, rief Stanford, griff zu der Flasche Laser-Iso-Power-Sport, die auf dem Schreibtisch stand und saugte kräftig an dem Nippelaufsatz des Fitnessgetränks.
„Guten Morgen Herr Stanford, ich komme am besten gleich zur Sache…“, setzte Morgan an, wurde aber sofort vom Bürgermeister unterbrochen, der ihn mit ausgestreckter flacher Hand zum Schweigen aufforderte.
„Noch nicht, noch nicht, warten Sie eine Sekunde bevor Sie anfangen!“, sagte er hastig und betätigte dann den Knopf seiner Sprechanlage, neben der die Getränkeflasche gestanden hatte. „Isabella, den Ventilator bitte!“, kommandierte er in einer Lautstärke, dass seine Sekretärin die Anweisung auch ohne technisches Hilfsmittel problemlos hätte mitbekommen können. Nach nur wenigen Sekunden öffnete sich schon die Türe und Isabella brachte hastig einen großen Ventilator herein, den sie vor Stanford auf dem Boden aufstellte, ansteckte und dann einschaltete. Dabei richtete sie den Luftstrom von unten nach oben so aus, dass die Haare des Bürgermeisters permanent nach hinten gewirbelt wurden und es so aussah, als würde er für eine Greenscreen-Szene auf einem Motorrad über den Highway brausen. Dann verließ Isabella das Büro wieder, seufzend und mit hängendem Kopf. Will sah ihr voller Mitleid hinterher. Es war schon lange klar, dass sie sich diesen Job anders vorgestellt hatte.
„Jetzt, Will, jetzt bin ich bereit. Ich liebe dieses Gefühl von frischem Fahrtwind einfach! Das hilft mir, mich zu konzentrieren“, erklärte Stanford und setzte wieder sein Filmstarlächeln auf. Will versuchte seinerseits nicht die Konzentration zu verlieren, als er auf den Bürgermeister starrte, der da mit wehendem Haar und nacktem Oberkörper vor ihm stand.
„Die Sache mit den Überfällen in der U-Bahn gerät langsam aber sicher völlig außer Kontrolle, Herr Stanford“, kam er dann ohne Umschweife auf den Punkt. Der Bürgermeister rieb sich daraufhin nachdenklich das Kinn.
„Ja, ich kann mich erinnern, Sie hatten das doch schon mal an mich gemeldet?“, erwiderte Stanford zögerlich.
„Sechsmal in den letzten Wochen“, konterte Morgan mit einem leicht säuerlichen Unterton.
„Ah ja, ja selbstverständlich“, nickte Stanford. „Wie ist die Lage nochmal?“ Morgan merkte, wie sein linkes Auge leicht zu zucken begann. Heute war es definitiv wieder Zeit für seine Magentabletten.
„An den U-Bahn-Stationen werden immer wieder Passagiere getötet und teilweise sogar verspeist. Augenzeugen berichten, dass eine große Gruppe nackter humanoider Wesen mit kohlrabenschwarzer Haut dafür verantwortlich ist. Sie sollen im Durchschnitt etwa 1,40 Meter groß sein, sehr schnell und sich größtenteils auf allen Vieren fortbewegen. Sie jagen die Menschen dort unten in Rudeln und verschwinden wieder so schnell, wie sie auftauchen. Die Leute und die Presse nennen sie mittlerweile nur noch die >Crawler<“, erläuterte Will noch einmal das, was er seinem Vorgesetzten bereits in besagten sechs schriftlichen Berichten zugesandt hatte.
„Achso, ja, ja die Crawler, ja…“, erwiderte Stanford. „Und äh…, wie…?“
„Wir haben nicht genug Polizisten, um alle U-Bahn-Stationen zu schützen. Die Bahnmitarbeiter und die Wartungstechniker werden inzwischen auch in den Schächten direkt angegriffen. Es hat bereits mehrere Tote unter dem Personal gegeben. Die dauerhafte Beauftragung von privaten Sicherheitsdiensten als zusätzliche Hilfe löst das Problem nicht. Wir können nicht mehr länger abwarten“, grunzte Morgan.
„Was schlagen Sie vor?“, fragte der Bürgermeister mit weit geöffneten Augen. Immerhin schien ihm jetzt langsam die Tragweite dieses Problems klar zu werden. Er mochte nicht der Hellste sein, aber zumindest hörte er in vielen wichtigen Entscheidungen auf seine erfahrenen Spezialisten. Wahrscheinlich auch mangels eigener Ideen.
„Diese Crawler verhalten sich wohl wie Schwärme und wir wissen nicht, woher sie kommen. Wir müssen herausfinden wo sich ihr Ursprung befindet, dann können wir sie vielleicht ausmerzen“, meinte Morgan und steckte die Hände in seine Manteltaschen. Es störte ihn immer noch, gegen das permanente Gesumme des Ventilators ansprechen zu müssen.
„Wie wollen Sie das anstellen?“, fragte Stanford zurück.
„Ich habe in der Mordkommission viele gute Leute, aber wir sind durch diese Vorfälle komplett überlastet, weil viele Polizeikräfte jetzt am U-Bahn-Netz gebunden sind. Dafür geht alles an der Oberwelt drunter und drüber. Ich schlage vor wir engagieren jemanden, der im Untergrund nach der Quelle der Crawler sucht und dabei wohl sein Leben riskiert, anstatt unsere eigenen Kräfte weiter zu verheizen“, führte Morgan aus.
„An wen haben Sie gedacht?“, fragte der Stanford erneut, der ob dieser Idee hellhörig geworden war.
„Es gibt da eine relativ neue kleine Agentur im Stadtzentrum. Die haben im Branchenbuch inseriert, dass sie für gefährliche Aufträge zur Verfügung stehen. TRAP ist der Name“, erklärte Morgan knapp.
„Nie gehört“, erwiderte der Bürgermeister.
„Wahrscheinlich machen die eher krumme Dinger“, zuckte Morgan mit den Schultern. „Das ist aber in dem Fall egal, diese Runner können auch mal für eine gute Sache tätig werden. Allerdings werde ich denen entweder eine große Summe Geld oder etwas von Wert anbieten müssen. Etwas von richtigem Wert, Söldner desertieren sonst bei der ersten Gefahr.“ Stanford überlegte. Einer Gruppe von Runnern eine vielleicht sogar sechsstellige Summe an Steuergeldern in die Hand drücken zu müssen, war durchaus ein großes Risiko. Schnell kam ihm jedoch der rettende Einfall.
„Die Villa von Lewis am Nordstrand ist vor kurzem an die Stadt gefallen, wie wäre es mit der Immobilie als Belohnung für den erfolgreichen Auftrag?“, gab er grinsend kund. Es stimmte, der ehemalige Minister für Infrastruktur war an Altersschwäche gestorben und da er keine Erben hatte, war sein Anwesen zurück in den Besitz der Stadt gegangen. Für eine Gruppe kleiner unbedeutender Privatagenten war das eine Gelegenheit, die sich im Leben kein zweites Mal bieten würde. Will Morgan lächelte nun. Es war einer der seltenen Momente, in denen sein Vorgesetzter tatsächlich etwas Brauchbares von sich gegeben hatte. Vielleicht hatte er sich am Ende doch in ein paar Dingen in ihm getäuscht?
„Einverstanden! Ich werde der Agentur die Villa anbieten wenn es ihnen gelingt, uns die Crawler vom Hals zu schaffen“, nickte der Chef der Mordkommission.
„Ausgezeichnet!“, rief Stanford aus. Dann betätigte er erneut die Sprechanlage auf seinem Schreibtisch. „Isabella, die Ölknaben sollen kommen, von der Ventilatorluft wird meine Haut schon trocken wie die Wüste!“, flötete er nun wieder gut gelaunt in das Mikrofon. Morgan zog beide Augenbrauen hoch und versuchte zu verstehen, was er gerade eben gehört hatte. Nach etwa einer halben Minute öffnete sich die Bürotüre erneut und zwei junge Männer in weißen Togen und mit Lorbeerkränzen auf dem Kopf betraten mit flinkem Schritt das Zimmer. In ihren geschnürten Sandalen tänzelten sie geradezu über den Boden, ihre Haltung war agil und voller Tatendrang. Jeder von ihnen hatte eine Flasche Bodylotion dabei. Geübt spritzten sie sich etwas von deren Inhalt in die Hände, verrieben es und begannen dann, Fabios muskulösen Oberkörper akribisch einzuölen.
„Ähm… haben wir sonst noch etwas auf der Tagesordnung?“, fragte der Bürgermeister gen Morgan. Der schüttelte nur verwirrt den Kopf, verabschiedete sich und verließ das Rathaus. Vielleicht sollte er Isabella demnächst einen Obstkorb schicken?

Ralph lachte laut und meckernd auf, als Will Morgan zu Ende gesprochen hatte. Die TRAP-Agenten saßen mit dem hohen Beamten zusammen im Wohnzimmer, beziehungsweise im Hauptquartier der Agentur. Der Mann mit dem Monokel am rechten Auge war gerade eben mit der Beschreibung des Auftrags und der in Aussicht gestellten Belohnung fertig geworden. Ralph lachte immer noch, während Abigail, Yuri und Harry versuchten, nicht all zu geschockt zu wirken. Nur Yanny lächelte weiterhin scheinbar unbeeindruckt und hörte sich alles ganz genau an.
„Dat is ja wohl nicht dein Ernst, Alter?“, stieß Ralph schließlich hervor. „Is dat eine linke Nummer oder so? Ihr zieht uns doch ab? Keen Mensch wird so einem Haufen wie uns eine Villa geben, ick wees doch wat sowat wert is!“ Will Morgen nickte daraufhin, nestelte in seiner Mantelinnentasche, zog ein Dokument daraus hervor und legte es auf den kleinen Tisch vor ihm.
„Lesen Sie selbst, es ist die Wahrheit“, sagte er mit ruhiger Stimme. Yanny, die auf dem nächsten Platz neben Will in der Runde saß, scannte das Dokument kurz mit ihren Augen und nickte dann Harry zu, der nun auch innerhalb der Wohnung eine Sonnenbrille trug.
„Es stimmt alles“, sagte sie leise. Harry fuhr sich nachdenklich durch die Haare, sah zuerst zu Abigail und Yuri, dann zu Ralph, der aufgrund von Yannys Bemerkung schlagartig verstummt war.
„Wir machen das“, verkündete er knapp und der Chef der Mordkommission lächelte zufrieden. Sein Plan war aufgegangen, immerhin ein erster Erfolg.
„Wir brauchen Zugang zu allen Ermittlungsakten, ohne jegliche Einschränkung“, fügte Abigail an und rieb sich die Hände in Vorfreude. Sie mussten es einfach schaffen, die Belohnung war zu gut um wahr zu sein. Eine Villa am Nordstrand war für Normalsterbliche eigentlich nicht zu bekommen. Man musste mehrere Millionen Dollar bezahlen und außerdem über die richtigen Beziehungen verfügen, beides war für sie in diesem Leben nicht zu erreichen. Die Villa würde sie alle mit einem Schlag auf der sozialen Leiter nach oben katapultieren.
„Eigentlich geben wir Ermittlungsakten niemals direkt heraus…“, sagte Morgan auf Abigails Forderung hin. Ihm war nicht wohl bei der Sache, aber die Dame hatte natürlich recht. Geheimniskrämerei würde einem schnellen Erfolg jetzt nur im Weg stehen. Er war sich immer noch nicht sicher was er von dieser Truppe halten sollte, immerhin schien es ein bunt zusammengewürfelter Haufen zu sein. Ehrlich gesagt hätte er sich etwas professioneller Wirkendes erhofft, aber es konnte eigentlich unter dem Strich nicht viel schief gehen. Schlimmstenfalls würden sie den Einsatz nicht überleben und er musste sich etwas Neues einfallen lassen. Nur der Verlust von Zeit würde schmerzlich werden, unbescholtene Bürger waren weiterhin in Gefahr. Er zögerte noch einen Moment bevor er seinen Satz vollendete. „… aber in diesem Fall kann ich eine Ausnahme machen. Sie bekommen eine vollständige Kopie aller uns vorliegenden Akten.“ Abigail nickte zufrieden während Yuri aufstand, sich Morgan näherte und ihm die Hand entgegenstreckte. Dieser stand ebenfalls auf und reichte dem großen Russen die Hand und schüttelte sie.
„Dann besiegelt ist Vertrag. Halten Sie schon mal bereit Reinigungsfirma für große Villa“, sagte Yuri trocken.
„Wenn die Sache in Tüten ist, will ick so nen Rasenmäher wo man sich drauf setzen und damit rumfahren kann. Merkt dat schon mal vor!“, blökte Ralph und machte sich dann auf zur Toilette. „Bei all der Aufregung hier kriegt man ja nen Reizdarm!“ Will Morgan sah dem alten Punk mit schockiertem Gesicht hinterher. War es wirklich eine gute Idee gewesen, diese Agentur aufzusuchen?


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