Skip to content

**** ****

Welcome to the Teletext-Internet

Elysium Roman 4 – Kapitel 7: Die Quelle allen Übels


Zusammen waren sie in den Keller eines der größeren Häuser hinuntergestiegen. Der Mann, der sich ihnen als Kennak-Laar vorgestellt hatte, schloss hinter sich eine schwere Türe, die aus verschiedenen Metallplatten zusammengebaut worden war. Auch diese teils rostigen Bestandteile schienen Fundstücke aus der Kanalisation zu sein. Die TRAP-Agenten und Kennaks Begleiterin, deren Name Eiri war, sahen sich kurz um.
„Warum ausgerechnet hier eine Türe?“, fragte Abigail zögerlich, während Eiri und Kennak behutsam ihre Helmglocken von den Sicherheitsanzügen abschraubten und diese neben sich auf den Boden legten.
„Um die Nahrung hier unten frisch zu halten“, erwiderte Kennak und zeigte auf einige Fässer, Tonkrüge und Kisten, die Yuri daraufhin kurz mit seiner Taschenlampe untersuchte.
„Trinksen willt auch?“, fragte Eiri unsicher in die Runde, ging von dem vorherigen Sturz noch etwas wackelig zu einem der Tonkrüge und zog einen dicken Verschlusskorken ab. Ihr Amerikanisch war deutlich ungeübter als das von Kennak und sie sprach nur kurze Sätze, in denen sie nahezu ohne jegliche Grammatik Wörter aneinanderreihte, die von einem schweren Akzent gezeichnet waren. Ihre Stimme jedoch klang immer ein wenig so, als würde sie eine beruhigende Melodie anstimmen. Man hätte ihr stundenlang zuhören können, fremd und doch vertraut zugleich. Ihre Augen sowie die Augen ihres Begleiters schimmerten in der Dunkelheit schwach, sie schienen ohne Probleme sehen zu können. Harry, der sich aufgrund der Nachwirkungen von Yannys Trank und seinen mittlerweile roten Augen im Dunklen deutlich leichter orientieren konnte als seine Gefährten, brauchte jedoch immer noch eine gewisse Quelle an Restlicht, die es hier in diesem Keller schlichtweg nicht gab. Er zögerte, obwohl er vor Durst fast umkam. Sein nächster Griff ging zu dem Strahlenmessgerät, das er aus seiner Tasche zog und mit dem rechten Daumen aktivierte. Er seufzte erleichtert.
„Es stimmt, die Strahlung hier im Keller ist zwar immer noch leicht erhöht, aber kein Vergleich zu draußen. Wir können die Helme abnehmen, ohne dass wir uns in Gefahr begeben“, stellte er fest. Dann schraubte er ebenfalls seine Helmglocke ab, legte sie zu den anderen auf den Boden und ging ein paar Schritte auf Eiri zu. Währenddessen sog er gierig die abgestandene Kellerluft ein, die ihm in den Momenten nach den Stunden im Anzug vorkam, als wäre es die frischeste und klarste Brise, die er je geatmet hatte.
„Trintsen… Trinksten… Trinkens?“, fragte sie ihn und sah etwas ängstlich zu ihm hoch.
„Ich hätte gerne einen Schluck, egal von was auch immer“, erwiderte er lächelnd. Sie hob die Tonvase hoch und reichte sie ihm.
„Wassta!“, erklärte sie, als er das Gefäß dankbar entgegennahm. Sie hatte recht, es war köstliches Wasser und schon nach den ersten Schlucken wollte Harry die Vase nicht mehr absetzen, trank gierig wie ein Verdurstender.
„Boah! Lass’ mir was übrig!“, protestierte Abigail und nahm nun ebenfalls ihren Helm ab. Auch Yuri tat es ihnen gleich. Er hätte auf der Stelle einen ganzen See leertrinken können und leckte sich erwartungsvoll über die rissigen Lippen.
„Es ist genug da, keine Sorge“, erklärte Kennak. „Die Stadt verfügt über einige solcher Vorratsräume. Sie waren bis zur großen Seuche Allgemeingut.“
„Große Seuche?“, fragte Yuri, der hellhörig geworden war. Dann nahm er mit einer dankbaren Geste ebenfalls eine Vase mit Wasser entgegen und trank begierig.
„Ja. Als eure Leute sich vor etwa zwei Jahren bis nach Gwyneran – das ist der Name unserer Stadt – hindurch gegraben hatten, begann für uns der Anfang vom Ende. Einige Mitglieder des Ältestenrats und eine kleine Gruppe Krieger sind den Menschen damals entgegen gegangen, um sie in Empfang zu nehmen und mit ihnen zu verhandeln. Wir wussten nicht, wie ihr Menschen auf uns reagieren würdet aber wir wussten, dass ihr überlegene Waffen besitzt und hatten genau beobachtet, wie schnell ihr euch in der Gegend ausgebreitet hattet“, erklärte Kennak.
„Mh… das waren nicht >unsere< Leute. Die gehören zu dem größten Energieversorgungsunternehmen in Elysium. Wir haben nichts mit denen zu tun. Wir gehören zur Agentur TRAP und sind wirklich nur aus dem einen Grund hier, weil wir das Rätsel um die Crawler lösen wollen, um mehr Sicherheit für die >Oberwelt< wie ihr sie nennt, zu schaffen. Alleine dafür werden wir bezahlt“, widersprach Harry ruhig. Kennak und Eiri überlegten einen Moment, nickten sich dann zu. Er, der sein Amerikanisch hauptsächlich durch den ausgiebigen Konsum von Radiosendungen, Magazinen, Büchern und Zeitungen der Oberwelt gelernt hatte verstand bereits besser, dass es unter dem Menschen verschiedenste Gruppierungen und Nationen zu geben schien, die aus unterschiedlichsten Interessen auch gegeneinander arbeiteten und sich sogar aus diesen oder jenen Gründen gegenseitig töteten. Er hatte es sogar einmal selbst gesehen, als er in der Nacht aus der Kanalisation nach oben gestiegen war. All dies schien seiner Begleiterin und ihm jedoch von Grund auf so fremd und absurd zu sein, dass es einige Zeit gebraucht hatte, dieses Verhalten zu verstehen. Allem Anschein nach waren diese TRAP-Agenten eine Gruppierung, die ihnen nicht feindlich gesinnt und somit nicht gefährlich war. Oder etwa doch? Kennak hoffte, dass er diesen Vertrauensvorschuss nicht eines Tages bereuen würde.

„Gut. Wir verstehen, dass es da einen Unterschied gibt und ihr nicht zu denen gehört“, nickte er schließlich. „Also diese Energieleute fanden unsere Stadt. Wir luden sie ein, zeigten ihnen wie wir leben und dass wir keine Bedrohung für die Menschen sind. Außerdem baten wir sie, unseren Standort nicht zu verraten. Jedoch schon einen Tag nach dem Treffen kehrten diese Männer mit einer größeren Gruppe von bewaffneten Söldnern zurück und begannen, unsere Häuser zu plündern und diejenigen zu erschießen, die sich dagegen wehrten“, erklärte Kennak.
„Aber… warum?“, fragte Abigail fassungslos. Yuri rieb sich nachdenklich den Bart und zog dann eine bräunliche Rübe aus einer der Kisten. Ohne zu zögern biss er ein Stück ab und begann zu kauen.
„Sie waren auf das Gold, die Münzen und all die anderen Wertgegenstände aus, die wir im Laufe der Zeit angesammelt hatten. Vieles von der Oberwelt landet in dem von euch angelegten Tunnelsystem, das ihr Kanalisation nennt. Manche unserer Leute gingen auch nachts durch diese Kanalisation nach oben und nahmen von Hinterhöfen und Gassen mit, was sie für brauchbar hielten”, erwiderte er.
„Klingt nach Sperrmüll“, überlegte Yuri schmatzend und Harry nickte zustimmend.
„Also existiert Gwyneran schon länger als Elysium?”, stellte er dann fest. Kennak schmunzelte nun und übersetzte die Frage noch einmal für Eiri, die dem Gespräch nur sehr bruchstückhaft folgen konnte. Auch ihr huschte daraufhin ein Lächeln übers Gesicht.
„In den Zeitungen die wir ab und an finden steht, dass ihr euch im Jahr 409 befindet. Die Menschen haben nach ihrer Ankunft auf dem Planeten zu zählen begonnen. Wir auch, für uns ist es das Jahr 2133“, beantwortete Kennak die Frage und setzte sich nun auf den Boden. Die anderen taten es ihm gleich. Für die TRAP-Agenten war diese neue Information, die damit alle Spekulationen über das Alter der unterirdischen Stadt beendete, allerdings nun doch ein Schock. Alle Sicherheit über ihre eigene Geschichte, die sie zu wissen geglaubt hatten, geriet in diesem Moment ins Wanken. Harrys Gedanken rasten und er sah seinen Kameraden an, dass auch ihnen bereits Fragen auf den Lippen lagen. Sie mussten es unbedingt schaffen, ein möglichst vollständiges Bild aller Geschehnisse zu bekommen.
„Was ist dann passiert, was ist nach dem Einfall dieser Leute in der Stadt passiert? Bitte fahr fort“, bat Harry Kennak.
„In Gwyneran ist Panik ausgebrochen. Die Energieleute haben sich nach den ersten Plünderungen wieder zurückgezogen, nachdem unsere Krieger sie nach und nach verjagen konnten. Wahrscheinlich war ihnen aber auch nur die Munition ausgegangen. Schon drei Tage nach dem Vorfall – wir waren immer noch dabei unsere Toten zu bestatten – sind sie zurückgekommen. Diesmal mit den ersten gelben Fässern der großen Seuche. Es gab eine neue Auseinandersetzung mit unseren Kriegern aber unsere Verluste waren viel zu groß und die meisten sind in die hinteren Areale von Gwyneran geflohen. Die Energieleute haben weiter geplündert und die Fässer im Eingangsbereich abgeladen. Nach kurzer Zeit waren zwei kleine Berge aus diesen Fässern entstanden. Als sie dann eine ganze Zeit lang nicht mehr kamen, haben die Krieger diese Fässer ausgiebig untersucht“, berichtete Kennak und die Niedergeschlagenheit war deutlich in seiner Stimme spürbar.
„Sie haben die Fässer ohne Schutzkleidung untersucht?“, fragte Abigail, deren Gesicht mittlerweile aufgrund dieser Erzählung aschfahl geworden war. Kennak bestätigte dies mit einem Nicken und fuhr dann fort.
„Die Fässer haben sie krank gemacht. Zuerst dachten wir, sie sterben. Ihr Haut war von diesen giftigen Substanzen pechschwarz geworden, schlichtweg verfärbt. Ihre Augen wurden ebenso schwarz und die Haare fielen ihnen aus. Aber das waren nicht die einzigen Veränderungen. Auch ihr Verstand schien vollkommen erloschen. Sie erkannten weder Freunde noch Familie und begannen in einem wahnsinnigen Rausch, auf die anderen loszugehen und dort weiter zu töten, wo die Energieleute aufgehört hatten. All das mit einer unbändigen Kraft. In Gwyneran lebten ungefähr 15.000 Personen und nach etwa zwei Wochen hatten wir schon gut ein Viertel verloren“, berichtete er weiter.
„Ich weiß nicht mehr was ich sagen soll“, flüsterte Abigail, die sich mit beiden Händen über die Augen wischte und versuchte, sich nicht von ihren Gefühlen überwältigen zu lassen. Yuri, der die Rübe inzwischen vollständig aufgegessen hatte, nickte Kennak zu, mit seinem Bericht weiter zu machen.
„Mit der Zeit veränderten sich mehr und mehr unserer Leute durch das Gift“, fuhr er fort. „Viele begannen in die Tunnel in alle möglichen Richtungen zu fliehen. Die meisten wollten die Stadt jedoch nicht aufgeben und sich trotz all dem Horror nicht von hier vertreiben lassen. Unseres jetzigen Wissensstandes nach ist allerdings die Mehrheit der Einwohner zu >Crawlern< geworden. Eiri und ich gehören zu einer Gruppe von ungefähr hundertfünfzig, die sich etwa zwei Tagesmärsche von hier niedergelassen hat. Die Anzüge die wir verwenden, haben wir aus den Teilen erbeuteter Schutzkleidung genäht. Wir sind hier um zu sehen, ob wir noch etwas Brauchbares finden können. Werkzeuge oder Waffen.“ Harry, der im Schneidersitz auf dem Boden saß, fuhr sich durch seine verschwitzten Haare und kniff für einen Moment die Augen zu. Das also war es, was die Crawler hervorgebracht hatte. POWERS Generating Plant hatte hier in den Höhlen tief unter der Erde einen Massenmord an einem unbekannten Volk vollzogen, um kostengünstig Atommüll zu entsorgen. Dazu hatten sie auch noch eine skrupellose Söldnertruppe engagiert, die für Wertsachen ohne zu zögern auf unbewaffnete Zivilisten schoss. Er hatte zu Beginn dieses Auftrags mit Sicherheit keine Vorstellung davon gehabt, wie die Lösung des Rätsels hätte aussehen können. Allerdings hatte er damit gerechnet erleichtert zu sein, wenn es ihnen gelingen sollte, die Quelle dieses Übels aufzuspüren. Nichts davon war geblieben, keine Erleichterung. Trotz all der Müdigkeit und der Erschöpfung entzündete sich nun ein Funke in ihm, der stärker brannte als jegliche Aussicht auf eine reiche Belohnung und ein sorgenfreieres Leben. „Die Verantwortlichen werden hierfür bezahlen“, sprach Harry langsam und mit einer eisigen Kälte in der Stimme, die auch für seine Mitstreiter völlig ungewohnt war. „Diese Taten werden nicht ungesühnt bleiben, das verspreche ich.“ „Könnt ihr uns denn helfen?“, fragte Kennak erstaunt. „Werdet ihr die Energieleute vor ein Gericht bringen?“ Yuri, der Harrys Reaktion eingehend beobachtet hatte, zog sich eine weitere dicke Rübe aus einer der Kisten und drehte sie in seinen Händen. „Kein Gericht dieses Planeten wird Energieleute schützen können vor uns“, erklärte er ruhig und biss dann erneut ein großes Stück aus dem Gemüse. „So ist es“, bestätigte Harry. Kennak übersetzte dies für Eiri, die nun so aussah, als hätte sie einen Funken Hoffnung in den Augen. Abigail war ebenso entschlossen, die Verantwortlichen hierfür zur Strecke zu bringen, koste es was es wolle. Allerdings war es damit alleine nicht getan. Auch wenn es ihnen gelingen würde, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, war die Sache für Kennaks Leute damit nicht vorbei. „Wir brauchen noch mehr Informationen um euch besser helfen zu können“, begann sie. „Wie nennt ihr euch und wie seid ihr organisiert?“ „Unser Volk nennt sich Aon-I. Aon-I bedeutet in eurer Sprache nichts anderes als >das Volk<“, beantwortete Kennak bereitwillig ihre Frage. „Wir werden regiert durch einen Ältestenrat und einen Seher, der dem Senat vorsteht. Die Seher kommen alle aus einer einzigen Blutlinie. Wir wissen nicht, ob der derzeitige Seher Tvenan-Dru noch am Leben ist. Ansonsten sind wir in Kasten organisiert. Es gibt Krieger, Bauern und Gemeine, die von Handeln bis Schürfen alle möglichen Arbeiten übernehmen. Krieger wie ich und Senatsmitglieder tragen Tätowierungen.“ Er zeigte dabei auf die Schriftzeichen in seinem Gesicht.
„Was wäre, wenn der derzeitige Seher nicht überlebt hätte?“, hakte Abigail nach.
„Dann müsste seine Tochter die Nachfolge antreten. Sie ist in unserer Gruppe und eigentlich noch zu unerfahren für so eine große Aufgabe. Deswegen hoffen wir, dass Tvenan-Dru sich irgendwo versteckt hält“, antwortete Kennak und Abigail nickte.
„Was mich auch noch interessieren würde: von den Crawlern scheinen sich manche teleportieren zu können. Einer hat sich aufgelöst, ist dann direkt durch Yuri hindurch gesprungen und hat sich hinter ihm wieder zusammengesetzt“, fragte sie weiter.
„Die Kriegerkaste ist unterteilt in denen, die mit Waffen kämpfen und den Scouts. Die Scouts haben starke mentale Fähigkeiten und können sich über kurze Strecken hinweg teleportieren. Das kostet allerdings sehr viel Kraft“, führte Kennak aus. „Eiri ist zum Beispiel ein Scout.“
„Ja ich ist“, bestätigte Eiri. „Nicht hat viel Kraft wenig Trainings bisher gehabt.“
„Kommt alles noch“, meinte Yuri und nickte ihr aufmunternd zu, während er den letzten Rest seiner zweiten Rübe verspeiste. Eiri sah zu ihm hoch und lächelte dann. Neben ihr wirkte der ohnehin schon für Menschen beeindruckend große Nordstädter wie ein Riese aus einem alten Märchen.
„Hoffenslicht“, gab sie zurück.
„Übrigens haben wir gefunden Hunde unten bei großem Loch. Crawler sind doch viel kräftiger als Hunde? Haben die Energieleute auch gebracht Hunde hierher in Stadt?“ Kennak kratzte sich am Kinn und überlegte.
„In den alten Überlieferungen unseres Volkes werden vierbeinige Dämonen erwähnt, die das Böse in die Welt gebracht haben. Vom Aussehen her erinnern sie entfernt an Hunde. Ich habe gesehen, dass die Crawler sich von den Hunden der Energieleute stark einschüchtern lassen. Ihr Verstand existiert nicht mehr, aber eine Urangst vor den Dämonen scheint immer noch im Kern ihres Wesens vorhanden zu sein.“
„Deswegen bringen sie die Leute von POWERS also hier runter… Ihnen muss irgendwann aufgefallen sein, dass sich die Crawler von den Tieren abschrecken lassen. Dafür nehmen sie auch in Kauf, dass die Hunde am großen Loch verstrahlt werden“, knirschte Abigail.
„Nicht mit Anton“, brummte Yuri. „Den nehmen wir mit, wenn wir zurückgehen nach oben.“
„Und ihr meint wirklich, dass ihr uns helfen könnt?“, fragte Kennak.
„Wir werden alles daran setzen“, nickte Harry und erhob sich langsam. „Glaube ich habe auch schon eine Idee…“
„Wenn wir sind wieder oben, gleich rufen Verstärkung“, meinte Yuri und grinste breit. Abigail überlegte. Hatte er damit etwa Ralph gemeint?


Categorized as: Roman 4 (DE) | Romankapitel (DE)

Comments are disabled on this post


Comments are closed.