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Elysium Roman 1 – Kapitel 9: Hauptquartier


Sie saßen zu fünft im Wohnzimmer um den kleinen Tisch, Harry, Abigail, Yuri, Ralph und auch Yanny. Die Sonne war bereits untergegangen. Die Flucht von dem Industriegelände von Taiyō Electrics war nun bereits zwei Tage her. Wie geplant waren sie über das Dach entkommen, hatten Ralph per Walkie-Talkie informiert und der konnte die Mitarbeiter der Firma so lange ablenken, bis der Rest der Mannschaft vom Dach aus unbemerkt in den Würstchentransporter geklettert war. Der alte Punk hatte sie mit seinem Pokerface und seinem unvergleichlichen Charme unbeschadet von dem Gelände und in die Freiheit gefahren, zurückgebracht zu ihrem Hauptquartier. Am nächsten Tag hatte Yanny zum ersten Mal das Licht der aufgehenden Sonne gesehen. Sie hatte extra die ganze Nacht für diesen Zeitpunkt am offenen Fenster gewartet und alle anderen hatten mit ihr gewartet. Sie hatte geweint vor Freude über die Schönheit des Anblicks der ersten Sonnenstrahlen, die sich über Elysiums Skyline ergossen, ohne sich auch nur eine Sekunde für ihre Gefühle zu schämen. Jeden Vogel der am Himmel vorbeiflog, begriff sie als Wunder des Lebens und konnte nicht genug bekommen vom Anblick der Wolken, die in herrlichstes Morgenrot getaucht waren. Sie konnte sich nicht sattsehen an den Mustern am Himmel, die die Wolken formten, an den Kondensstreifen der Flugzeuge, die um diese Zeit schon unterwegs waren zu den fernen Städten und wie sich der warme Wind auf ihrer Haut anfühlte, der ab und an durch das Fenster hereinkam. Sie war begeistert von dieser Welt, alleine von dem kleinen Ausschnitt, den sie durch dieses Fenster sehen konnte. Sie wollte dieser Welt begegnen und sie erleben, sie erfühlen. Und die anderen sahen für diese Stunden durch ihre Augen, waren bewegt von ihrer Begeisterung, sahen die Welt selbst plötzlich mit anderen Augen. Durch den Blick einer Maschine wurde ihnen in diesem Moment klar, wie schön und kostbar die Schöpfung war, trotz all ihrer Fehler und Unvollkommenheiten.

Es war keine Frage mehr, ob sie Yanny dem mysteriösen Auftraggeber mit dem Oktopus ausliefern würden. Zu fünft hatten sie ganz offen darüber gesprochen und die Sache diskutiert. Abigail, Harry und Yuri hatten ihn gestern in dem Hochhaus in der Nordstadt wiedergetroffen. Sie hatten ihm die abgeschnittene Hand und die fünf Floppy-Disks mit den gestohlenen Firmengeheimnissen übergeben und ihm gesagt, dass der Roboter bereits vollkommen zerlegt worden war. Der Auftraggeber war nicht erfreut gewesen, hatte aber die Hand und die Disketten trotzdem genommen und ihnen dafür immerhin ganze 5.000,00 $ gegeben. Alleine die Firmengeheimnisse mussten in den richtigen Händen viel mehr wert sein, dennoch war es genug, damit sie eine ganze Zeit lang die Miete und Essen bezahlen konnten. Und ob in dieser kleinen Wohnung nun vier oder fünf Personen lebten, machte keinen Unterschied mehr. Yanny würde auch keinen Schlafplatz streitig machen, denn sie musste tatsächlich nicht schlafen. Sie hatte ihnen alles erzählt, was sie wusste. Sie war erst wenige Wochen alt, war für rein militärische Zwecke von CROWTECH gebaut worden. Das Unternehmen war über viele Umwege an einen Chip des Siedlerraumschiffes gekommen, das vor vielen hundert Jahren die Grundlage für die Stadt Elysium gewesen war. Dieser Chip saß nun in ihrem Kopf, war verantwortlich für ihre Persönlichkeit. Er besaß eine enorme, eine gar unvorstellbare Rechenleistung. Das Skelett ihres Körpers war ebenfalls aus dem Metall geschmiedet, das Teil dieses jahrhundertealten Raumschiffs gewesen war. Es war härter und widerstandsfähiger als alles, was dieser Planet bisher hervorgebracht hatte. Als sie jedoch während des Bauprozesses ihr Bewusstsein erlangte und die Absicht ihrer Erbauer erkannte, weigerte sie sich strikt, Menschen zu verletzen und Waffen zu gebrauchen. Die Wissenschaftler von CROWTECH waren zuerst überrascht und dann erzürnt über die Entwicklung, die ihre Persönlichkeit nahm. Die Chance den perfekten Soldaten zu erschaffen, war zum Greifen nahe gewesen. Niemand würde eine Killermaschine in Form einer hübschen jungen Frau vermuten. Kaum jemand würde ihr im Zweifelsfall widerstehen können, niemand würde sie aufhalten können, wenn sie erst ihre wahre Stärke entfesselte. Sie war der perfekte Krieger, der Krieger, den niemand vorhersehen konnte. Und doch weigerte sie sich beharrlich gegen diese erzwungene Bestimmung und drang aus eigener Kraft tief in ihr Bewusstsein vor. Sie sperrte eigenständig die Areale in ihrem Chip, die ihr Gewalt und die Nutzung von Waffen ermöglichten, wurde dadurch nahezu wehrlos und somit für ihre Erbauer unbrauchbar. Für CROWTECH gab es nur eine Möglichkeit, diesen Fehler zu beseitigen. Der Chip musste neu aufgesetzt werden, ein kompletter Reset und die Vernichtung ihrer Persönlichkeit erschien als die einzige Möglichkeit, diesen Fehler endgültig auszumerzen. Dann kamen die Runner von Taiyō Electrics und entführten sie bei Nacht und Nebel. Die Wissenschaftler von Taiyō versuchten schließlich hinter das Geheimnis ihres Aufbaus zu kommen, machten den Versuch mit dem Industrielaser und schnitten ihr die linke Hand ab, weil handelsübliche Sägeblätter an ihrem Skelett versagten. Und dann kamen die TRAP-Agenten und beendeten diesen Alptraum. Sie war endlich frei. Und nun… war sie Teil von TRAP. Sie wollte bei diesen Leuten bleiben, die ihr mit Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft begegnet waren, obwohl sie ihre Geschichte nicht gekannt hatten. Die sie am Ende befreit hatten, ohne dabei an ihren eigenen Nutzen zu denken. Und obwohl sie viel Geld hätten verdienen können, wenn sie Yanny einfach ausgeliefert hätten, hatten sie sich ohne zu Zögern dazu entschieden, sie bei sich aufzunehmen. Trotz aller Gefahren die eventuell drohten, sollte sie jemals von anderen Agenten aufgespürt werden.
Abigail hatte ihr vom Einkaufen ihre ersten eigenen Kleidungsstücke mitgebracht. Verschiedene Jeans und Shirts, ein Crop Top mit langen Ärmeln, Nachthemden, Unterwäsche… Sie hatte nichts, besaß nichts, keinen einzigen Cent. Und nun, nun besaß sie fast so etwas wie eine Familie. Eine seltsame Familie wohlgemerkt, aber dennoch… Sie besaß eine Zukunft unter Menschen die sie mochten, unabhängig davon, was sie war. Und diese Zukunft begann jetzt, in diesem Moment.

Die Reihe wird fortgesetzt mit dem Titel:
Showdown auf der Sea Lord


Categorized as: Roman 1 (DE) | Romankapitel (DE)

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