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Elysium Roman 2 – Kapitel 4: Leinen los


All der Trubel, all die Menschen, all der Aufruhr und jetzt hatte sie etwas getan, von dem sie niemals gedacht hatte, dass sie es jemals in ihrem Leben machen würde: sie hatte beide Füße auf einen echten roten Teppich gesetzt. Es war nicht so, dass sich Abigail jemals Berühmtheit und ein High Society-Leben gewünscht hätte. Sie war ein Mädchen aus der unteren Mittelschicht, dem nie etwas geschenkt worden war. Meistens war sie kopfgesteuert, realistisch eingestellt und hatte nie auf einen Traumprinzen auf einem weißen Ross gehofft, der sie aus ihrem durchschnittlichen Leben erretten würde. Sie war es gewohnt hart zu arbeiten, sparsam zu Leben und glaubte nicht an Wunder. Die Entscheidung jedoch, mit den anderen beiden Glücksrittern die TRAP-Agentur zu gründen, hatte ihr Leben schon nach kurzer Zeit sehr verändert. Es gefiel ihr durchaus, dass sie nun Situationen erleben konnte die oftmals gefährlich waren und das Abenteuer reizte sie nach wie vor. Jetzt stand sie hier in einem eleganten Kleid bei einem festlichen Empfang im teuersten Areal der Stadt. All dies in einer berauschend warmen Sommernacht. Der Nervenkitzel, die Neugierde und die Erwartung auf das was vor ihnen lag, jagte ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken. Vor einigen Monaten noch war sie nach langen Arbeitstagen im Büro um diese Zeit bereits zu müde gewesen, um überhaupt den Fernseher anzuschalten, ein Hörspiel auf Kassette anzuhören oder ein Buch lesen zu können… Ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen.
„Oh hallo hier, bitte hierher!“, rief ihr einer der Fotografen aus der Menge zu. Abigail sah nach links und rechts und zeigte dann fragend mit dem Finger auf sich selbst. „Ja, ja genau Sie! Würden Sie bitte eine halbe Drehung machen, die rechte Hand auf die Hüfte legen und uns ein Lächeln schenken?“, winkte ihr der Fotograf geschäftig zu.
„Ich… äh…“ Abigail sah, dass Yuri aus irgendeinem Grund schon weiter über den Teppich gestapft war. Yanny und Harry warteten in etwa zwei Meter Abstand und nickten ihr aufmunternd zu. Abigail errötete leicht, tat aber dann worum sie der Fotograf gebeten hatte.
„Wundervoll, herrlich, ausgezeichnet!“, frohlockte dieser und knipste ein Bild nach dem anderen, als hinge sein Leben davon ab. „Unglaublich, dieser frische Look! Für welchen Designer laufen Sie denn?“, rief der Fotograf erneut. Abigail errötete noch ein wenig mehr und wusste nicht, was sie antworten sollte. Stattdessen winkte sie ihm unsicher mit einem Lächeln zu und schlich weiter hinter Yuri her.
„Sieht so aus, als lässt sich Aby gerade eine Karriere als Model entgehen“, sagte Harry lachend zu Yanny und auch sie folgten den anderen langsam. Yuri war schon fast an der Gangway angekommen, als er abrupt inne hielt. Die Person ein paar Meter weiter kam ihm ungemein bekannt vor. Als sich ein kleines Kamerateam auf die Dame stürzte und begann, sie zu interviewen, verflogen auch die letzten Zweifel. Es war tatsächlich die blonde Ikone aus unzähligen Aerobic- und Musikvideos, Gigi Chiwawa. Sie trug ein kobaltblaues Abendkleid mit hunderten Straßsteinen besetzt und einer langen goldenen Federboa, ihre Mähne war mit einer kunstvollen Hochsteckfrisur mühevoll gebändigt. Yuri fuhr sich durch den Bart und betrachtete Gigi eingehend, deren verführerische Kurven durch das enge Kleid auf vorzügliche Weise betont wurden. Dann merkte er auf, als sie ihn kurz aus dem Augenwinkel ansah und ihm zulächelte. Er lächelte zurück und hoffte, dass sie es trotz seines stattlichen Bartes mitbekommen würde. Schließlich winkte sie ihn zu sich heran und vor die Kamera. Yuri stutzte für einen Moment, zuckte aber dann nur mit den Schultern und ging zu ihr und dem Reporter.
„Der wird doch jetzt da vorne nicht auch noch dem TV-Sender ein Interview geben?“, sagte Harry baff zu Abigail, zu der sie mittlerweile wieder aufgeschlossen hatten.
„Wenn er jetzt Werbung für unsere Agentur macht, haben wir eine riesige Reichweite… und sind gleichzeitig geliefert“, seufzte Abigail. Gigi Chiwawa hakte sich sofort bei Yuri ein, als er ebenfalls vor die Kamera getreten war, so gut dies bei dem Größenunterschied möglich war. Yuri überragte sie fast um zwei Haupteslängen. Dann setzte sie ihr mehrere Millionen Dollar wertvolles Lächeln auf und quasselte sofort zu dem Reporter und Richtung Kamera los.
„Aaach wissen Sie, wir im Showbiz sind alle eine große Familie, auch wenn man sich länger mal nicht gesehen hat. Nicht wahr? Wie war noch gleich Dein Name, Hübscher?“
„Yuri“, antwortete Yuri knapp.
„Natüüüürlich, Yuri, tut mir leid Hübscher, wie konnte ich das nur vergessen“, jauchzte sie. Dann tätschelte sie seinen Bauch betont vertraut. Seine muskulöse Statur war ihr selbstverständlich auch unter dem Smoking nicht entgangen. „Du hast ja noch mal ordentlich was auf dein Sixpack drauf gelegt seit dem letzten Mal. Erzähl doch und lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, du warst doch der Fitnesstrainer von… von äh… “, sie schnipste wild mit Fingern, während sie nach dem richtigen Namen suchte, der ihr anscheinend schon auf der Zunge lag.
„Ricardo“, riet Yuri ins Blaue.
„Ricaaardo… Jaaaa natüüüürlich, Ricardo! Wie geht es ihm denn?“, sprach sie weiter und untermalte ihre Worte gestenreich mit der noch freien Hand, während die gefärbten Federn ihrer Boa rhythmisch dazu zitterten.
„Sehr gut ihm geht, haben gerade zusammen Film abgedreht“, schwindelte Yuri ausdruckslos und schoss damit weiter ins Blaue. Einige Meter hinter der Szene war bereits jegliche Farbe aus Abigails Gesicht gewichen, während Harry sich nur schwer das Lachen verbeißen konnte. Yanny hingegen hörte gespannt zu und sah so aus, als würde sie sich im Kopf Notizen über all das machen, was um sie herum geschah.
„Das ist ja spannend, um welchen Film handelt es sich denn?“, fragte der Reporter interessiert gen Yuri.
„>Stramme Flöten auf halb vier<“, erwiderte dieser. Gigi sah ihn daraufhin für einen Moment fassungslos an, brach aber dann in lautes Gelächter aus.
„Ist er nicht köstlich, unser Yuri?! Immer noch ganz der Alte. Also dann, wir sehen uns wahrscheinlich noch später Schätzchen!“, flötete sie ihm zu. Ihre Hand rutschte dabei von seiner Hüfte ein Stück nach unten und sie kniff ihm neckisch in die Pobacke. Dann stolzierte sie die Federboa schwingend über die Gangway auf das Schiff. Yuri sah ihr nach und versuchte anhand des engen Kleides abzuschätzen, ob sie Unterwäsche trug.
„Haben Sie denn noch eine Message für uns, bevor Sie auf das Schiff gehen?“, rief ihm der Reporter zu. Der Hüne wurde aufgrund der Frage aus seiner interessanten Beobachtung gerissen.
„Zähneputzen sehr wichtig ist“, antwortete er, ging dann ebenfalls zur Gangway und ließ den Reporter stehen.

Auf dem Schiff herrschte ein reges Treiben. Zwischen den vielen festlich gekleideten Leuten huschte eifriges Bedienungspersonal umher, reichte Häppchen, Schnittchen, allerlei Getränke und nahm Extrawünsche entgegen. Direkt hier auf dem ersten Deck spielte zudem derzeit ein Streichquartett gediegene Kammermusik, um der Szenerie eine zusätzliche Noblesse einzuhauchen.
„Der Ring in dem die Kämpfe stattfinden, muss auf dem zweiten Deck ein Stockwerk über uns sein. Ich gehe schon mal hoch und melde mich dort an“, sagte Harry, während er einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr warf.
„Dann komme ich gleich mit. Als deine Betreuerin in der Ringecke muss ich sicher ebenfalls noch registriert werden“, sagte Yanny und stellte sich neben ihn.
„In Ordnung. Hoffentlich verlieren wir uns in dem Gewimmel nicht“, nickte Harry ihr zu. Yanny sah zu ihm auf, nahm ihn an der Hand und lächelte.
„Problem gelöst“, sagte sie stolz und zwinkerte ihm zu, während er merkte wie sein Herz wieder schneller zu schlagen begann.
„Ist gut. Während ihr Turtelkrähen hochgeht, ich verschaffe Blick über Lage hier auf diese Deck“, brummte Yuri.
„Was bedeutet >Turtelkrähen<?“, fragte Yanny neugierig. Bevor Harry jedoch protestieren und Yuri zu einer Erklärung ansetzen konnte, wurden sie von Abigail unterbrochen.
„Gut, genau so machen wir das. Yuri sieht sich auf Deck eins um, ihr beide geht auf Deck zwei zum Ring und ich prüfe das Oberdeck. Ganz hoch auf die Brücke müssen wir wahrscheinlich nicht. Dexter wird das Schiff schließlich nicht selbst steuern. Treffpunkt ist dann die Kabine 13, die Carla für uns reserviert hat.“ Die anderen bestätigten diesen Plan und man zog los.

Die einzelnen Etagen der riesigen Luxusyacht waren durch Treppen miteinander verbunden. Harry und Yanny bahnten sich den Weg bis zu dem Kampfring und kamen dabei an einigen Wachleuten vorbei, die sich sehr diskret an neuralgischen Punkten auf dem Schiff verteilt zu haben schienen. Wenn man ein wenig darauf achtete, konnte man diese auffällig unauffälligen Gestalten sehr leicht in der Menge ausmachen. Der Ring war überraschenderweise ein achteckiger Käfig aus Stahlstreben, der mit einem Netzgitter umhüllt war. Die beiden betrachteten die Konstruktion eingehend. Yanny hatte Harrys Hand immer noch nicht losgelassen, obwohl sie ihr Ziel nun erreicht hatten.
„Harry?“, fragte sie ihn leise.
„Ja?“, antwortete er und ihre Blicke trafen sich.
„Ich weiß du kannst das, Kämpfen ist dein Beruf. Aber versprich mir, dass du vorsichtig bist…“, sagte sie ihm diesmal auf Japanisch. „Wenn es ganz schlimm wird, habe ich etwas für dich…“, sie ließ seine Hand los und begann mit beiden Händen, langsam den langen Rock ihres Abendkleides hochzuziehen.
„Was… oh mein Gott, stopp, stopp, stopp…!“, sagte er erschrocken zu ihr und sie ließ ihren Rock mit einem verwunderten Gesichtsausdruck wieder sinken. Er wusste natürlich, dass sie noch viel zu lernen hatte was den gesellschaftlichen Umgang betraf und manche Dinge wie Schamgefühl nicht vollständig nachvollziehen konnte. So menschlich sie auch erschien hatte es vielleicht etwas damit zu tun, dass sie in manchen Situationen doch weiterhin wie eine Maschine dachte? Er war sich dessen nicht sicher.
„Oh, tut mir leid, ich wollte nur…“, setzte sie zu einer Erklärung an, als ein stattlicher Herr in einem weißen Anzug auf sie zuschritt und sie höflich begrüßte.
„Herr Harima nehme ich an?“, fragte er mit ruhiger Stimme. Der Mann war etwa 50 Jahre alt, hatte einen kurzgeschorenen grauen Bart und eine modische Frisur. Zahlreiche goldene Ringe zierten seine Finger.
„Ja genau, ich bin hier um mich für das Halbfinale bestätigen zu lassen“, antwortete Harry.
„Prächtig mein Bester“, sprach der Herr, griff in seine Westentasche und holte einen Schlüssel hervor, an dem ein kleines Schild hing, auf dem eine 13 in römischen Ziffern graviert war. „Mein Name ist Travis Campbell. Ich manage das Finale heute Nacht und bin gleichzeitig Ringansager. Der Kampf geht in einer Stunde los. Sie können sich gerne schon mal in Ihrer Kabine umsehen. Dort haben wir auch die passende Kleidung für Sie hinterlegt.“ Dann sah er zu Yanny. „Sie sind sicher die medizinische Betreuung von Herrn Kenji, Frau…“
„Yanny“, antwortete sie. Travis nahm daraufhin ihre Hand. Anstatt sie jedoch zu schütteln, verneigte er sich tief und deutete gekonnt einen vollendeten Handkuss an.
„Es ist mir ein ganz außergewöhnliches Vergnügen, Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen, Madame. Ihre Anwesenheit bringt Glanz auf diesen bescheidenen Kahn, schön Sie hier zu haben“, sprach er mit geübt charmanter Stimme und atmete dann tief ihren Duft ein. Harry warf ihm daraufhin einen Blick zu, der an kalter Eindeutigkeit nicht mehr zu überbieten war. Ob es gegen die Regeln war, den ersten Schlag des Halbfinales direkt gegen den Ringansager zu richten?
„Das ist >Blaze of a new Horizon<, nicht wahr?“, sprach er feststellend zu ihr, nachdem er seine olfaktorische Untersuchung beendet und fertig geschnüffelt hatte. Yanny sah ihn überrascht an. Dieser Mensch musste über wirklich einen sehr guten Geruchssinn verfügen, denn er hatte ihr Parfüm einwandfrei erkannt.
„Ja, genau das ist es“, sagte Yanny und lächelte.
„Es komplimentiert den Duft Ihrer Haut auf das Vortrefflichste, Madame, ein Hochgenuss Ihrer Aura beiwohnen zu können“, sprach er weiter und sah ihr tief in die Augen, ließ dabei seine Augenbrauen einmal lasziv zucken.
„Oh… Dankeschön…“, erwiderte sie. In ihr regten sich gespaltene Gefühle. Einerseits war sie zwar geschmeichelt aber gleichzeitig doch verunsichert und überrumpelt von der forschen Herangehensweise des Herrn. Seine Sprache wirkte einstudiert und unehrlich, dergleichen Sätze hatte er vermutlich schon unzähligen anderen Frauen gesagt. Und dann dieses sonderbare Geschnüffel… Sie wusste nicht genau, wie sie darauf reagieren sollte. Mit Sicherheit verlangte die gesellschaftliche Norm, dass sie das Kompliment mit einer freundlichen Antwort erwiderte und sie wollte keinesfalls auffällig wirken.
„Beeindruckend, wie Sie das Parfüm an meiner Hand erkannt haben. Dabei habe ich mir den Duft doch nur auf die Schultern und zwischen die Brüste gesprüht…“, sagte sie und hoffte, damit den richtigen Ton getroffen zu haben.
„Äääähm… wir gehen dann schon mal und sehen uns die Kabine an. Vielen Dank für Ihre Hilfe, Herr Campbell“, unterbrach Harry knurrend, nahm Yanny schnell an der Hand und zog sie sanft mit sich. „Hier entlang, Frau Doktor…“ Sie folgte ihm. Er mochte es nicht, wenn fremde Männer ihre Hand küssten und sie mit aufdringlichen Komplimenten in Verlegenheit brachten. Er hatte gerade zum ersten Mal seit sie sich kennengelernt hatten von sich aus ihre Hand ergriffen. Das gab ihr ein gutes, ein schönes Gefühl. Warum tat er so etwas nicht öfter? Er war ihr gegenüber so zurückhaltend. Vielleicht sollte sie ihn nicht direkt danach fragen, um nicht schon wieder in das nächste Fettnäpfchen zu treten? Darüber würde sie nachdenken müssen.

Yuri schlenderte wie beiläufig durch den Trubel, grabschte sich hier und dort etwas Fingerfood von ihm dargebotenen Tabletts und bekam schließlich ein Glas nobelsten Champagner in die Hand gedrückt, dessen gesamten Inhalt er sich mit einer schwungvollen Bewegung in die Kehle hinunterstürzte, um dann ordentlich aufzustoßen. Hier musste es doch auch irgendetwas von Interesse für ihre Mission geben? Vielleicht hatte er Glück und lief Dennis Dexter durch Zufall über den Weg? Er stapfte weiter in den Innenbereich des Schiffes und mit einem mal stieg ihm starker Essensduft in die Nase. Das Klimpern von Pfannen, Töpfen und allerlei Werkzeugen war zu hören. Auf diesem Deck befand sich also die Küche. Er folgte den Geräuschen und dem Geruch weiter dem Gang entlang und kam zu zwei sich gegenüberliegenden Doppelflügeltüren. Ein kurzer Blick ließ ihn feststellen, dass sich wohl links der Speisesaal und gleich gegenüber davon die Küche befand, in der es gerade mächtig zur Sache ging. Dem Zeitplan nach sollte das Dinner des Abends zwischen Halbfinale und Finale stattfinden und man bereitete bereits mit Hochdruck alles vor, um später möglichst viele Gerichte gleichzeitig servieren zu können. Yuri überlegte einen Moment. Es gab da einen Gegenstand, der ihm zur Erfüllung des Auftrags fehlte und diese Gelegenheit war gut. Er öffnete die rechte Doppelflügeltüre und betrat die Küche. In der Großküche herrschte wie erwartet großer Stress. Mindestens ein Dutzend Köche waren am Braten, Backen, Schneiden, Umrühren und riefen sich im Getümmel Anweisungen zu. Zwei von ihnen hatten schon damit begonnen, Vorspeisenteller zu garnieren. Es dampfte und qualmte aus allen Richtungen. Yuri, der bisher noch nicht beachtet worden war, hielt nach einem Arbeitstisch Ausschau, auf dem möglicherweise Fisch zubereitet wurde und hatte sofort Glück. An der vorderen rechten Ecke war ein kleiner, dicklicher Koch mit einem leichten Doppelkinn und einer für ihn viel zu großen Mütze dabei, frische Fische zu filetieren. Zeit für Improvisation. Yuri streckte sich etwas durch um noch größer zu wirken, marschierte auf den Koch zu und sagte in bestimmenden Ton:
„Guten Abend. Ich soll holen Messer aus Küche was ist richtig scharf. Vielleicht Sie können mir helfen aus.“ Der Koch unterbrach sein Werk und sah skeptisch zu Yuri hoch. Dann hob er kurz seine Mütze an und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
„Und wofür genau brauchen Sie ein scharfes Messer, wenn ich fragen darf…?“, fragte der Koch.
„Wurde geschickt von Gattin von Chef, sie will machen viele Geschenke auf von Gäste, brauchen scharfe Messer. Schärfste wo gibt auf Schiff“, erklärte Yuri. Der Koch zögerte einen Moment und sprach ihn daraufhin in fließendem Russisch an:
„Kann es sein, dass du auch aus den Nordstädten kommst? Du hast ja wirklich einen harten Akzent.“ Yuri war freudig überrascht, die Sprache seiner Heimat zu hören. Sofort erkannte er den schweren und schleppenden Dialekt aus Utopia, seiner Heimatstadt.
„Ist es denn die Möglichkeit? Du kommst doch auch aus Utopia? Ich habe hier in Elysium noch niemanden getroffen, der von so weit aus dem Norden stammt“, erwiderte er ebenfalls auf Russisch und grinste breit. Der Koch war nun seinerseits begeistert, stellte sich als Andrej vor und die beiden begrüßten sich mit Handschlag. Andrej deutete Yuri an, kurz auf ihn zu warten und kehrte nach ein paar Augenblicken aus der Vorratskammer mit einem unbenutzten Filetiermesser mit braunem Holzgriff, einer Flasche importiertem Wodka und zwei kleinen Gläsern zurück, die er umgehend füllte und Yuri eines davon anreichte. Die beiden begannen, über ihre Heimatstadt zu plaudern und die Gläser zu leeren, während der Koch nebenbei weiter Fische filetierte. Es tat gut, sich nach vielen Monaten wieder in der Muttersprache unterhalten zu können und das Gespräch wurde mit jedem Schluck noch unterhaltsamer. Zwischen dem vierten und fünften Glas verstaute Yuri das Messer dezent in der Innentasche seines Smokings. Beim achten Glas tranken die beiden Bruderschaft, lachten laut und angeheitert und erzählten sich dreckige Witze. Das neunte Glas war der Abschiedstrunk, bei dem sie sich noch eine schöne Nacht wünschten und der Koch dann Richtung Kühltruhe torkelte, um sich weitere Fische zu holen. Als Yuri die Küche verließ merkte er deutlich, dass er so viel Alkohol anscheinend nicht mehr gut vertrug. Er hoffte, dass er jetzt nicht durch diese enorme Zufuhr von Hochprozentigem auf einen Schlag alles Amerikanisch verlernt hatte, das er sich so mühsam angeeignet hatte. Das Schiff legte im gleichen Moment vom Nordstrand ab, als er aus der Küche kam. Als die Motoren starteten, nahm man eine kurze Vibration auf der ganzen Sea Lord wahr. Der Hüne wankte durch die Doppelflügeltüre hinaus und tätschelte zufrieden seine Smokingtasche, in der das Messer verwahrt war.


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